Etappensieg für den Verbraucherschutz
In Lübeck waren fast 20.000 Bürger in den Jahren 2000 und 2001 von einer Kostenexplosion der Fernwärmepreise betroffen. Mittlerweile wurden die Tarife zwar gesenkt. Es gibt aber noch zahlreiche überhöhte und unbezahlte Fernwärmerechnungen insbesondere aus 2001.
Von Gunhild Duske und Holger Vödisch
(08. April 2004) Der Fernwärme-Stammtisch, eine Selbsthilfegruppe von Betroffenen mit circa 20 Mitgliedern des Bundes der Energieverbraucher, hatte aus Spendenmitteln ein Musterverfahren gegen den Fernwärmeversorger EWL finanziert und durch die Moderatorin der Gruppe Ex-Senatorin Gunhild Duske und dem Mitglied Dipl. - Ing. Dieter Baganz in Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Holger Vödisch das Verfahren geführt.
Gunhild Duske
Die mit der Sache befasste Richterin entschied, dass die von der EWL vorgelegten Rechnungen nicht nachvollziehbar sind. Dem Fernwärmeversorger stehen daher keine Ansprüche aus den erstellten Rechnungen zu. Lediglich die bereits ohne Vorbehalte bezahlte Rechnung des Jahres 2000 behält Gültigkeit.
Holger Vödisch
Die vor dem Amtsgericht Lübeck eingereichte Klage wollte gerichtlich feststellen lassen, dass der beklagten EWL aus den vorgelegten Rechnung für die Jahre 2000, 2001 und 2002 keine Ansprüche zustehen. Die Klagebegründung stützte sich dabei auf drei Pfeiler:
- mangelnde Transparenz der Abrechnung,
- untaugliche Preisführungsgrößen in den Preisgleitklauseln und
- Unangemessenheit der Preise.
Im Urteil vom 8. April 2004 (Aktenzeichen 28 C 3336/03) stellte das Gericht die mangelnde Verständlichkeit der Abrechnung fest, da die maßgeblichen Berechnungsfaktoren nicht vollständig und nicht in verständlicher Form ausgewiesen waren. Die Rechnung sei daher nicht fällig.
Dieses Urteil sollte allen Mut machen, NEIN zu sagen, wenn eine Rechnung unverständlich ist oder ungerecht erscheint.
Einspruch einlegen!
Sie sollten gar nicht oder nur unter schriftlich erklärtem Vorbehalt zahlen.
- Hilfreich ist es, sich mit Nachbarn und anderen Betroffenen zusammenzutun und Fachleute hinzuzuziehen sowie sich dem Bund der Energieverbraucher anzuschließen.
- Einschüchterungsversuchen widerstehen! Ehe die Rechnung nicht erklärt und geklärt ist, halten Sie Stand gegenüber wiederholten Mahnungen und Androhung von Liefersperre oder Einschaltung von Inkassobüros.
- Verhandlungen mit Stadtwerken und / oder Wohnungsunternehmen sind sinnvoll und oft auch erfolgreich.
- Kommunalpolitiker einschalten!
- Örtliche Presse gewinnen, denn leider reagieren Politik und Versorgungsunternehmen erst auf öffentlichen Druck.
- Klage als letztes Mittel. Wer rechtsschutzversichert ist, hat gute Chancen, die Unterstützung der Versicherung zu bekommen.
- Gute Nerven braucht jeder, der abwarten will, bis das Versorgungsunternehmen die ausstehenden Beträge einklagt. Das ist oft erfolgreicher und einfacher als eine eigene Klage.
Überhöhte und undurchsichtige Fernwärmeabrechnungen der EWL-Lübeck betrafen 20.000 Familien.
In Lübeck waren fast 20.000 Familien von den überhöhten Preisen betroffen, Anderswo sind es vielleicht noch mehr, denn das Problem besteht an vielen Orten in Ost- und Westdeutschland. Bei der Preisgestaltung herrschen mancherorts Wildwest-Methoden.
Es gibt keinerlei Preisaufsicht, obwohl es sich bei der Wärmeversorgung um einen Bereich der Daseinsvorsorge mit regional oder überregional monopolistischen Strukturen handelt. Hier ist also noch ein großer weißer Fleck auf der Agenda des Verbraucherschutzes.