RWE liefert offenbar überteuertes Gas
Das Gasversorgungsunternehmen RWE Rhein-Ruhr, eine Tochterfirma des RWE- Konzerns in Essen, hat nach Recherchen von markt (Sendunge vom 03.04.06) jahrelang überteuertes Gas an große Wohnanlagen geliefert. Betroffen sind davon tausende Mieter und Besitzer von Eigentumswohnungen im Rheinland.Von Michael Houben.
(6. April 2006) Die Wohnanlage Buchenhöhe in Kerpen-Horrem: 280 Sozialwohnungen, daneben knapp 200 Eigentumswohnungen, gebaut in den siebziger Jahren. Insgesamt leben hier mehr als 1.000 Menschen. Alle werden von einer Zentralheizung mit Wärme und Heißwasser versorgt. Und für jeden wird diese Versorgung zunehmend zu einem ärgerlichen Kostenfaktor. In den vergangenen zwei Jahren stiegen die Heizkosten um rund 50 Prozent. Da der größte Preisschub beim Erdgas aber erst zu Beginn des Jahres 2006 erfolgte, weil gleichzeitig das Frühjahr ungewöhnlich kalt blieb, werden die Heizkostenabrechnungen für das laufende Jahr noch einmal um rund 30 Prozent höher liegen. Verwaltet wird die Buchenhöhe von der Immobilienverwaltung Immonova aus Köln. Deren Geschäftsführer Dr. Karl-Heinz Stähling hat Widerspruch gegen die Preiserhöhung eingelegt und verhandelt mit dem Gasversorger RWE Rhein-Ruhr über neue, niedrigere Preise. Gemeinsam mit den Eigentümern will er den bisherigen Liefervertrag zur Not vor Gericht anfechten.
Eine Formel zum Abzocken
Es geht um eine Klausel, die dafür sorgt, dass der Gaspreis mit dem von Heizöl steigt. Die dafür im Vertrag festgelegte komplizierte Formel sorgt dafür, dass Steigerungen im Ölpreis nicht nur eins zu eins weitergegeben werden. Stattdessen steigt der Gaspreis schneller und stärker als der Ölpreis. Der Ölpreis ist in den vergangenen zwei Jahren um rund 70 Prozent gestiegen. Der Gaspreis für die Buchenhöhe hat sich gleichzeitig fast verdoppelt. Er ist um gut ein Drittel stärker gestiegen als der von Heizöl. Umgerechnet ergibt das Mehrkosten von rund 30 Euro pro Haushalt allein im vergangenen Jahr.Für die ganze Anlage sind das 15.000 Euro Mehrausgaben, die diese fragwürdige Ölpreisbindung in 2005 ergeben hat.
Nach Informationen, die markt vorliegen, haben viele Wohnanlagen im Versorgungsgebiet eine ähnliche Abzockerformel im Vertrag. Wie lässt sich diese Preisformel begründen? Wir fragten den Konzern und erhielten schriftlich die Antwort: "Auf Verträge mit einzelnen Kunden können wir leider nicht eingehen, da diese der Verschwiegenheit unterliegen." Auf unsere konkrete Frage erhielten wir keine Antwort.
Verhandlungserfolg
Ein anderes Beispiel: der Wohnpark Türnich, wenige Kilometer von der Buchenhöhe entfernt. Auch in dessen Vertrag fand sich die Abzockerformel. Eigentümer und Verwalter protestierten dagegen - und erhielten einen neuen Vertrag mit deutlichen Verbesserungen für Eigentümer und Mieter. Die hat der Verwalter des Wohnparks mit Hilfe des Energieberatungsbüros EBE aus Bergheim dem Gasversorger RWE Rhein-Ruhr abgerungen. In eineinhalb Jahren Verhandlungen konnten sie erreichen, dass die Gaspreise deutlich gesenkt wurden und dass sie nun sogar wesentlich langsamer steigen als die Heizölpreise. RWE gewährte einen spürbaren Preisnachlass. Umgerechnet sind das etwa 20 Prozent. Die Hausverwaltung geht davon aus, dass dies dem einzelnen Wohnungseigentümer bei einer Dreizimmerwohnung etwa 150 bis 160 Euro pro Jahr ersparen wird.
Von solch günstigen Konditionen ist die Wohnanlage Buchenhöhe noch weit entfernt. RWE hat zwar auch hier einen neuen Vertrag angeboten, aber mit deutlich schlechteren Konditionen. Drei Vorschläge für einen neuen Liefervertrag hat RWE bereits vorgelegt. Doch auf die bisherigen, viel zu hohen Preise wurde bislang ein Abschlag von maximal rund sieben Prozent geboten.
Druckmittel Wettbewerb
Verwalter und Eigentümer der Buchenhöhe haben für die Verhandlungen noch einen Trumpf in der Hinterhand. Und der ist gleichzeitig ein Grund dafür, warum sie den von RWE bisher neu angebotenen Vertrag für unannehmbar halten. Denn RWE will ihn mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren abschließen. Dabei soll doch schon in diesem Jahr auch für Haushaltskunden der Wettbewerb beginnen. Einzelne Wohnanlagen in dieser Größenordnung konnten bereits den Gasanbieter wechseln. Und wenn die Bundesnetzagentur, wie versprochen, dafür sorgt, dass die Durchleitungspreise auch für Privatkunden ab Herbst auf ein realistisches Nievau sinken, dann werden die Bedingungen für sehr große Privatkunden zwangsläufig günstiger als für kleine Einzelhaushalte. So kann sich für große Wohnanlagen schon recht bald die Chance ergeben, den Anbieter zu wechseln.
Unter diesen Bedingungen für einem Preisnachlass von wenigen Prozent einen Vertrag über mehr als zwei Jahre abzuschließen erscheint Verwaltung und Eigentümern der Buchenhöhe daher auf keinen Fall sinnvoll. Wir fragten RWE, warum sie der Buchenhöhe weniger Preisnachlass anbietet als dem Wohnpark Türnich? Die Antwort: "Individuelle Verträge und deren Anpassung hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab. (...) Im übrigen können wir aus eingangs genannten Gründen zu vertraulichen Verträgen keine Aussagen machen."
Eine wenig erhellende Antwort. Kein Wunder, denn es geht um viel Geld. Niedrigere Preise bedeuten Einnahmeverluste. Außerdem droht dem Konzern möglicherweise eine Klagewelle, denn die Eigentümergemeinschaft der Buchenhöhe erwägt, das Unternehmen auf Rückzahlung der überzogenen Gaskosten zu verklagen.
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