Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.
Bundesgerichtshof weist Selbstbedienungsmentalität der Energieversorger in die Schranken
(18. Oktober 2005) "Ein sensationeller Sieg für alle Verbraucher" kommentiert Aribert Peters, der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher das heutige Urteil des Bundesgerichtshofes "Die Bedeutung des Urteils kann man garnicht hoch genug einschätzen".
Netznutzungsentgelte unterliegen der Billigkeitskontrolle, hat das BGH geurteilt (Urteil vom 18. Oktober 2005, Az. KZR 36/04) und damit ein anderslautendes Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe aufgehoben. Der Stromanbieter Lichtblick hatte die Netznutzungsentgelte des Mannheimer Versorgers MVV als 30 Prozent zu hoch kritisiert und eine gerichtliche Prüfung eingeleitet.
Die Gebühren für die Nutzung fremder Stromnetze waren in der Vergangenheit von der Stromversorgern willkürlich drastisch erhöht worden, um den Wettbewerb zu bremsen und die Gewinne zu sichern. Grundlage war eine Vereinbarung der Dachverbände der Stromwirtschaft mit den grossen Stromverbrauchern, die sog. Verbändevereinbarung. Dieser Vereinbarung war vom Bundestag als "gute fachliche Praxis" Gesetzeskraft verliehen worden. Der Bund der Energieverbraucher hatte dagegen protestiert, dass dieser Selbstbedienungsvereinbarung Gesetzeskraft verliehen wird und den Bundespräsidenten gebeten, dass Gesetz nicht zu unterzeichnen.
Der BGH hat entschieden, dass ungeachtet der energierechtlichen Geltung der überhöhten Netznutzungsentgelte die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle greift. Der Netzbetreiber muß die Billigkeit seiner Netznutzungsentgelte darlegen. Das gilt auch für Stromtarife, die behördlich genehmigt worden sind. Denn die Genehmigung sagt nichts darüber aus, ob die Tarife auch der Billigkeit entsprechen.
Der Vertreter des Bundeskartellamtes begrüßte in der heutigen Gerichtsverhandlung, dass die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle vom Bundesgerichtshof gestärkt worden ist. Das gelte, so das Bundeskartellamt, für Gastarife in gleicher Weise. Verbraucher könnten dadurch künftig ihre Rechte selbst durchsetzen und das Kartellamt würde entlastet.
Das Urteil ist auch ein klarer Tadel für das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass die Geltung der Verbändevereinbarung in einem unlängst ergangenen Urteil betont hatte. Andreas Grigoleit, der Rechtsanwalt des klagenden Stromversorgers Lichtblick freut sich: "Zahlreiche derzeit noch in den unteren Instanzen hängenden Verfahren bekommen durch das Urteil ein klare Richtung".
Bereits am 5. Juli 2005 hatte der Bundesgerichtshof in einem Urteil (X ZR 60/04) das Recht der Kunden auf eine zivilrechtliche Kontrolle von Strom- und Gaspreisen betont: "Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgers fällig und kann der Kunde in Verzug geraten", so das Urteil wörtlich (http://www.energieverbraucher.de/seite1386.html).
Der Bund der Energieverbraucher rät allen Strom- und Gaskunden, die derzeitigen Preiserhöhung nicht zu akzeptieren, sondern der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle zu unterwerfen (Details unter http://www.energieverbraucher.de/seite1382.html). Denn das Energierecht und auch das Kartellrecht bieten Verbrauchern keinen ausreichenden Schutz. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes mache eindeutig klar, dass allen Verbrauchern dieses Recht zustehe.