Fernwärme
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Preispoker bei Fernwärmeverträgen
Während Energieverbraucher zunehmend sensibler auf Preiserhöhungen reagieren und die Arbeitspreise von Wärmelieferanten mit anderen Energieträgern vergleichen, haben Gerichte in den vergangenen Jahren immer wieder Preisänderungsklauseln kassiert. Wärmelieferanten versuchen nun verstärkt über den Grundpreis auf ihre Kosten zu kommen.
Von Leonora Holling
(29. November 2021) Den Bund der Energieverbraucher erreichen zunehmend Anfragen von Mitgliedern, denen ihr Versorger ein vermeintlich gutes Angebot macht. Ganz offensichtlich hat die Wärmebranche inzwischen erkannt, dass VerbraucherInnen steigende Preise bei der Wärmebelieferung kritisch beleuchten und nicht mehr bereit sind, ungerechtfertigt überteuerte Preise zu zahlen. Wenn Ihnen aber Ihr Wärmeversorger das Angebot modifizierter Fernwärmebezugsverträge mit niedrigeren Arbeitspreisen unterbreitet – oder Ihnen gar eine Änderungskündigung ausspricht, dann ist höchste Vorsicht vor einer Falle geboten.
Eine unzulässige Arbeitspreis-Preisänderungsklausel aus alten Tagen – für Verbraucher nicht zu durchschauen und an Preisfaktoren gekoppelt, die mit der tatsächlichen Wärmeversorgung nichts zu tun hat.
Preisänderungsklauseln
In der Vergangenheit waren die Preisänderungsklauseln für den Arbeitspreis pro Kilowattstunde (kWh) häufig leicht zu beanstanden. Entweder stellte die Preisänderungsklausel nicht auf den tatsächlich verwendeten Wärmeträger, sondern auf Faktoren mit höheren Preissteigerungen ab, war vollkommen unverständlich formuliert – oder im schlimmsten Fall sogar beides. Reihenweise kassierten Gerichte Preisänderungsklauseln aus den genannten Gründen. Klagen von Energieverbrauchern gegen Preissteigerungen hatten vor diesem Hintergrund überwiegend Aussicht auf Erfolg.
Grundpreis, die sichere Nummer
Die Wärmelieferungsbranche regiert nunmehr verstärkt auf mit dem Angebot neuer Verträge, die bezüglich der Preisgestaltung die Arbeitspreise senken, dafür Grundpreise in den Fokus nehmen und nicht selten um weitere Serviceentgelte oder Dienstleistungspreise erweitern. Der „Grundpreis“ ersetzt dabei nicht selten einen bisherigen „Leistungspreis“, einen „Investitionspreis“ oder ähnlichen Preisbezeichnungen. Wahrscheinlich versucht die Versorgerseite hier mit dem Begriff des Grundpreises eine möglichst wenig angreifbare Einnahmequelle zu etablieren. Der Vorteil des Begriffes Grundpreis ist nämlich, dass nicht überprüfbar ist, was diesen ausmacht. Auch die Frage, wie die Wärme tatsächlich erzeugt wird, spielt hier keine Rolle mehr. Anders als beim Arbeitspreis dürfte es bei einem Grundpreis auch zulässig sein, auf Faktoren mit hohen Teuerungsraten abzustellen. Gerne genommen sind hier beispielsweise die Tarifentgelte von Lokomotivführern. Selbst ein Wärmeversorger, der kostenfrei verfügbaren Abfall verbrennt, darf hier gute Einnahmesteigerungen über die kommenden Jahre erwarten.
Energiesparen zwecklos
Ein weiterer Vorteil für die Versorger besteht bei einer Preisverlagerung vom Arbeitspreis auf einen Grundpreis zudem darin, dass Energieverbraucher durch ihr Verbrauchsverhalten nur noch sehr begrenzt Einfluss auf die Höhe ihrer Jahresrechnung nehmen können. Selbst die Investition in eine bessere Wärmedämmung von Gebäuden berechtigt den „Allgemeinen Bedingungen für die Fernwärme“ (AVBFernwärmeV) zu Folge nicht zur Reduzierung der Anschlussleistung und damit des Grundpreises. Egal, wie sparsam Energieverbraucher sind, egal wie viel Hausbesitzer in die Energieeffizienz von Gebäuden investieren: Die Rechnung bleibt hoch und der Versorger hat eine sichere Einnahme. Dabei wird die maßgebliche Anschlussleistung meist allein durch das Fernwärmeunternehmen vorgegeben, ohne dass hier ein Verhandlungsspielraum eingeräumt wird. Die vorgegebene Anschlussleistung muss seitens des Versorgungsunternehmens nur dann reduziert werden, wenn nachweislich eine Eigenversorgung mit erneuerbaren Energieträgern erfolgt. Ansonsten verbleibt es, im schlimmsten Fall unabhängig vom tatsächlichen Bedarf, bei der vereinbarten Wärmeleistung.
Drum prüfe, wer sich bindet
Energieverbraucher sollten wissen, dass sie sich mit der Unterzeichnung einer Vertragsänderung oder eines neuen Wärmelieferungsvertrages mit Verlagerung von Kosten auf einen Grundpreis über die nächsten Jahre sicheren Preissteigerungen ausliefern. Hiergegen nach Unterzeichnung vorzugehen, dürfte sehr schwierig werden. Deshalb rät der Bund der Energieverbraucher dazu, sich vor der Unterzeichnung langjähriger Verträge stets rechtlich beraten zu lassen und sich nicht von vermeintlich günstigeren Preisen pro Kilowattstunde blenden zu lassen.
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