Überspannungsschutz im Eigenheim
Bei Gewittern ist es ratsam, die Stecker empfindlicher Geräte zu ziehen. Aber was ist mit Geräten, die fest mit dem Stromnetz verbunden sind, und was taugen Überspannungsschutzleisten aus dem Baumarkt?
Von Louis-F. Stahl
(17. September 2016) Mehr als eine halbe Million Blitzeinschläge verzeichnete das 160 Messstationen umfassende Netzwerk des Technologiekonzerns Siemens im Jahr 2015. Gleichwohl ist die Wahrscheinlichkeit als Mensch von einem Blitz tödlich getroffen zu werden mit einer zu 18 Millionen geringer als die Chance auf einen 6er im Lotto.
Selten sind direkte Blitzeinschläge und daraus resultierende Gebäudebrände Ursache für Schäden. Denn wenn ein Blitz einschlägt, können alle elektrischen Geräte im Umkreis von mehreren Kilometern durch die resultierende Überspannung beschädigt werden. Wenn Verbraucher dagegen keine Vorsorge treffen, bleiben sie oft auf dem Schaden sitzen.
In Wohngebäuden kann ein kombinierter Grob- und Mittelschutz wie das DEHNshield (links) einfach zusätzlich zum Fehlerstromschutzschalter (mittig) und den Leitungsschutzschaltern (rechts) in der elektrischen Verteilung installiert werden.
Aufgabe des Netzbetreibers?
Kommt die Überspannung durch das Stromnetz, stellt sich unweigerlich die Frage, ob der Netzbetreiber für den Schaden verantwortlich ist. Rechtlich betrachtet sieht § 18 der Niederspannungsanschlussverordnung weitreichende Haftungsausschlüsse für Netzbetreiber bei Stromausfällen oder Überspannungen durch höhere Gewalt und selbst bei bloßer Fahrlässigkeit des Netzbetreibers vor. Zumindest wenn den Netzbetreiber durch Fehlbedienung ein Verschulden trifft, hat der BGH dieses Haftungsprivileg 2014 (Az. VI ZR 144/13) eingeschränkt. Dennoch installieren Netzbetreiber technische Schutzvorrichtungen gegen Überspannungen.
Diese können technisch bedingt jedoch nur die Leitungen und Betriebsmittel des Netzbetreibers zuverlässig schützen. Allein durch die elektromagnetischen Felder bei einem Gewitter können im Erdkabel oder der Freileitung zum Haus des Verbrauchers Überspannungen induziert werden, welche dessen Geräte zerstören können. Ein wirksamer Schutz dagegen kann schlicht nur im Gebäude selbst hergestellt werden.
Wunderwaffe Steckdosenleiste?
In Bau- und Elektromärkten wird Verbrauchern dafür eine vermeintlich gute Lösung für oft teures Geld angeboten: Steckdosenleisten und Zwischenstecker mit eingebautem Überspannungsschutz, zumeist versehen mit einer Versicherung, sollte doch ein Schaden auftreten. So wasserdicht diese Angebote wirken, so nutzlos sind sie in der Praxis. Rechtlich gesehen sitzt der Versicherungsgeber entweder unerreichbar im Ausland, im Kleingedruckten wird das Vorhandensein eines „Primärschutzes“ gefordert oder dem Verbraucher wird eine Beweislast auferlegt, die im Schadensfall nicht zu erbringen ist. Neben der rechtlich fragwürdigen Versicherung ist auch der tatsächliche technische Schutz zweifelhaft, da die Zwischenstecker nur einen Feinschutz bieten, welcher ohne einen Primärschutz in der Gebäudeinstallation nutzlos ist. Unabhängig davon ist ein solcher Feinschutz in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben und muss bereits ab Werk in allen elektronischen Geräten verbaut sein. Vollkommen nutzlos ist ein zusätzlicher externer Feinschutz für besonders gefährdete Geräte dennoch nicht. Eine Steckdosenleiste ist schließlich einfacher zu ersetzen als der Austausch von Schutzschaltungen in den jeweiligen Geräten. Steckdosenleisten bleiben dennoch nur ein letzter Baustein in einem Gesamtschutzsystem.
Mehrstufiges Konzept
Ein äußerer Blitzschutz kann verhindern, dass ein Blitz direkt in ein Gebäude einschlägt und dabei einen Brand auslöst. Vorgeschrieben sind Blitzableiter nur für besonders hohe oder anderweitig besonders gefährdete Gebäude, beispielsweise mit einem leicht entzündlichen Reetdach.
Für einfache Wohngebäude in Siedlungen ist ein Blitzableitungssystem im Gegensatz zu einem Überspannungsschutz nicht unbedingt sinnvoll. Der Überspannungsschutz selbst wird historisch als dreistufiges System ausgeführt. Die Normen DIN EN 60664-1 und VDE 0110-1 sehen hierfür einen Grobschutz am Hausanschluss zum Stromnetz, einen Mittelschutz in der Unterverteilung sowie einen Feinschutz im oder nahe bei den zu schützenden Endgeräten vor. Diese Abstufung ist aus zwei Gründen sinnvoll: Einerseits reduziert jede Stufe den Energieinhalt der Überspannung, um eine Überlastung der nachfolgenden Schutzstufe zu vermeiden. Typischerweise reduziert ein Grobschutz auftretende Überspannungen auf etwa 4.000 Volt, ein Mittelschutz auf 2.000 Volt und ein Feinschutz auf 1.000 Volt. Andererseits kann durch längere Stromleitungen elektromagnetisch eine Überspannung bei Gewittern induziert werden, so dass Geräte am Ende der Stromleitung nicht mehr geschützt werden können. Der Schutz muss folglich auf dem Weg zum Verbraucher erhalten werden.
Lösung für Wohngebäude
Während der aufwändige energetisch koordinierte dreistufige Schutz vom Hausanschluss über die Verteilung bis zum Endverbraucher in größeren Elektroinstallationen wie öffentlichen Gebäuden und Industrieanlagen aufgrund der langen Leitungswege auch heute noch unverzichtbar ist, hat der technische Fortschritt für kleinere Gebäude neue Lösungen hervorgebracht: Mit sogenannten Kombiableitern lassen sich heutzutage in nur einem Bauteil Schutzpegel von 1.500 Volt realisieren. Vorreiter für diese Technik war der Hersteller „Dehn + Söhne“ aus der Oberpfalz, der im Jahr 2001 mit dem DEHNventil erste Lösungen vorstellte und seit 2011 eine noch kompaktere Lösung unter dem Produktnamen DEHNshield anbietet. Solche Kombiableiter lassen sich ab etwa 300 Euro im Fachhandel erwerben, die Auswahl eines zum Hausnetz passenden Moduls und die fachgerechte Installation sind jedoch keine Aufgabe für Heimwerker. Mit Installation durch eine Elektrofachkraft sind folglich günstigenfalls rund 500 Euro zu veranschlagen.
Nicht nur aus dem Stromnetz, auch über das Telefonnetz, Antennen- oder Kabelfernsehen kann Überspannung zu Schäden führen. In diesem Beispiel kam die Entladung aus der Fernsehdose und ist auf Heimnetzwerk und Elektroverteilung übergesprungen.
Schleichwege nicht vergessen
Neben der Hausanschlussleitung zum Stromnetz und den Stromleitungen im Gebäude können auch auf anderen Wegen Überspannungen den Weg ins Haus finden. Typische Wege sind aufgrund der langen Leitungswege Telefonkabel oder Kabelfernsehanschlüsse. Auch selbst gebaute Blitzableiter wie Antennen und SAT-Schüsseln auf dem Dachfirst oder PV-Anlagen auf der Dachfläche können Überspannungen magisch anziehen. Vom Photovoltaik-Gleichstrom-Schutzmodul ab rund 200 Euro bis zum Telefon-DSL-Schutzmodul für rund 70 Euro werden diverse Produkte angeboten. Insbesondere bei der Absicherung von DSL-Anschlüssen und anderer Netzwerktechnik ist jedoch auf Qualitätspro-dukte Wert zu legen, da bei Baumarktware die Datenrate oftmals massiv einbricht.
Abwägungsfragen
Welches Schutzlevel man selbst erreichen und welchen finanziellen Aufwand man dafür betreiben möchte, ist im Einzelfall gründlich abzuwägen. Dabei kommt es auch auf die geografische Lage (siehe Karte), die Bebauung in der Umgebung, den Wert der zu schützenden Geräte und die baulichen Gegebenheiten der Immobilie an. Im Falle von Neuerrichtungen oder Modernisierungen von Elektroinstallationen dürfte ein Kombiableiter für kleines Geld allerdings in jedem Fall eine sinnvolle Investition sein. Bei neuen PV-Anlagen mit empfindlichen und teuren Wechselrichtern, umfangreicher EDV-Ausstattung oder gar einem Smart-Home ist darüber hinaus ein besserer Schutz durchaus empfehlenswert.
China will bis 2050 zusammen mit internationalen Partnern ein globales Stromnetz aufbauen. weiter lesen