News zum Energiepreis-Protest
Segment-ID: 4780Verarmung und Supergewinne: Protestbewegungen
Die Energiepreissteigerungen treiben trotz Preisbremse viele Menschen in Not und Verzweiflung. Dabei stiegen die Gewinne der fünf großen Ölkonzerne 2022 auf einen Rekordwert von 195 Milliarden Dollar. Gegen dieses Ungleichgewicht werden nun Proteste laut: in Deutschland und europaweit.
Von Dr. Aribert Peters
(5. Mai 2023) Inzwischen werden auch branchenunabhängig unter Berufung auf die Energiekrise mitunter fast beliebige Preiserhöhungen durchgesetzt, ob sie nun eine wirtschaftliche Grundlage haben oder nicht. Gleichzeitig sanken die Reallöhne 2022 um durchschnittlich 4,1 % gegenüber dem Vorjahr und damit das dritte Jahr in Folge, so das Statistische Bundesamt.
Nicole Lindner vom Bündnis gegen Obdachlosigkeit und Zwangsräumungen klagt über „Existenzangst, die handlungsunfähig und krank macht“. Ihr Monatsabschlag für Gas sei von 85 auf 245 Euro gestiegen, der Preis für Strom von 29 auf 49 Cent pro Kilowattstunde. Für viele Menschen reiche das Geld nicht einmal zum Kauf von Lebensmitteln, die Verdoppelung der Stromkosten sei da nicht mehr zu verkraften. An den Tafeln in Deutschland steht eine Rekordzahl von zwei Millionen Menschen Schlange. Ein Drittel aller Tafeln hat Aufnahmestopp.
„Solange ganz normale Menschen in unserem Land – und das sind die meisten – schon jetzt nicht mehr ruhig schlafen können, weil sie sich vor der Gasrechnung im Winter fürchten, empfinde ich die mit der Energiepreisexplosion eingefahrenen Riesengewinne der Energiekonzerne als unmoralisch und inakzeptabel“, schreibt Ulrich Breulmann in den Ruhr Nachrichten. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter. Der Gewinnzuwachs der einen wird ermöglicht durch das, auf das die anderen verzichten müssen, weil sie es sich nicht mehr leisten können. Die Politik reagiert nur unzureichend mit Energiegeld, Energiepreisbremse und Übergewinnsteuer.
Kampagne „Wir zahlen nicht“
Gegen dieses Ungleichgewicht regt sich nun Widerstand: Nach dem Vorbild der Initiative „Don’t pay“ in Großbritannien und Italien hat sich auch in Deutschland eine Bewegung „Wir zahlen nicht“ gegründet. Sie fordert den Schutz vor Stromsperren, einen Festpreis für Strom, 100 % erneuerbare Energie und die Vergesellschaftung der Energiekonzerne. Die Bewegung setzt auf eine Million Mitstreiter und will nach Erreichen dieser Unterstützerzahl nur noch 15 Ct/kWh für Strom zahlen. Bisher werden Absichtserklärungen gesammelt.
Die Initiatoren erinnern an erfolgreiche Proteste: In den 1970ern weigerten sich Hunderte niederländische Haushalte, neue Atomkraftwerke zu finanzieren, und die Gebühr wurde abgeschafft. Ein anderes Beispiel: 1974 zahlten in der italienischen Lombardei viele Arbeiter die Hälfte ihrer Stromrechnung nicht und verminderten die Erhöhungen durch Verhandlungen mit der Regierung.
Europaweit für mehr Gerechtigkeit
In Europa hat sich die Gruppe „Power to the People“ zusammengefunden, um über Grenzen hinweg gemeinsam für mehr Gerechtigkeit zu kämpfen. Mit dazu gehören die Organisationen European Alternatives, European University Institute, Europe Calling, Mehr Demokratie, Another Europe is Possible und Citiziens Take Over Europe. An der ersten Online-Versammlung nahmen über 250 Menschen aus 16 verschiedenen Ländern teil. Als Ergebnis der Diskussionen wurden folgende politische Empfehlungen formuliert:
- Begrenzung der Energiekosten: Ob nun bei Gas, Benzin oder Strom, die Preise sollten je nach Inflationsrate gedeckelt werden mit schnell umsetzbaren Mechanismen, die jedoch nicht zu großen Schwankungen oder Instabilität bei den globalen Preisen führen dürfen.
- Die aktuelle Energiekostenkrise als Chance nutzen, um den Übergang zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen, was auch die Energiesicherheit der EU gegenüber anderen Regionen der Welt unterstützen wird.
- Schutz der am stärksten gefährdeten Bevölkerung: ein „Energiekosten“-Sicherheitsfonds für die am stärksten benachteiligten Menschen, um extreme Armut und Obdachlosigkeit zu verhindern.
Reichtum maßstabsgerecht: bdev.de/reichtum
Segment-ID: 18775Widerspruch nach § 315 BGB nur in der Grundversorgung möglich
Von Leonora Holling
(25. April 2023) Energieverbraucherinnen und -verbraucher sehen sich derzeit mit einer erheblichen Anzahl von Preiserhöhungsverlangen ihrer Versorger konfrontiert. Bereits im letzten Jahr hatte der Bund der Energieverbraucher daher seine Musterschreiben zu einem Widerspruch gegen die Preiserhöhungsverlangen neu aufgelegt und angepasst. Viele haben von diesen Musterschreiben Gebrauch gemacht. Teilweise wurde von den Betroffenen aber nicht darauf geachtet, dass ein Widerspruch nach § 315 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) grundsätzlich nur im Rahmen eines bestehenden Grundversorgungsvertrags möglich ist. Nur in der Grundversorgung setzt der Versorger nämlich die Preise aufgrund der Ermächtigung in der Grundversorgungsverordnung einseitig fest.
Besteht hingegen ein Sondervertrag, haben sich Endverbraucher und Versorger auf ein Recht der Preisänderung in Form einer Preisänderungsklausel vertraglich geeinigt. Nach der Rechtsprechung muss darin der Versorger deshalb dem Verbraucher im Falle der Preiserhöhung ein Sonderkündigungsrecht auf den Zeitpunkt der Preiserhöhung einräumen. Auf dieses Sonderkündigungsrecht muss im Preiserhöhungsschreiben ausdrücklich hingewiesen werden. Der Verbraucher hat dann nur die Möglichkeit, den Vertrag außerordentlich zu kündigen oder die Preiserhöhung zu akzeptieren. Ein Widerspruch ist hingegen unbeachtlich und würde den bestehenden Vertrag mit der Preiserhöhung fortführen.
Segment-ID: 18769Preisanhebungen 2023 verboten?
Die geplante Strom- und Gaspreisbremse 2023 erlaubt Preisanhebungen nur in engen Grenzen. Wie wirksam können diese Bestimmungen sein? Und wer kontrolliert sie? In der Grundversorgung gilt der § 315 BGB.
Von Leonora Holling
(11. Januar 2023) Durch die ab dem 1.1.2023 geltenden Gas- und Strompreisbremsen der Bundesregierung wird es Versorgern untersagt, ihre Preise gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern im gesamten Jahr 2023 anzuheben. Eine Preiserhöhung sei, so die Diktion der Regierung, „illegal“. Dies gilt aber leider nur grundsätzlich. Versorgern wird es nämlich zugleich gestattet, ihre Arbeitspreise anzuheben, wenn sie damit gestiegene, eigene Beschaffungskosten weitergeben. Ob tatsächlich gestiegene Beschaffungskosten vorliegen, soll dann das Bundeskartellamt prüfen. Die Regierung betont, dass den jeweiligen Versorger in möglicherweise anstehenden Verfahren die Darlegungs- und Beweislast treffen würde.
Detailregelungen unklar
Dass mit dieser Prüfungsregelung der große Wurf gegen unangemessene Preiserhöhungen gelungen ist, darf allerdings bezweifelt werden. Unklar ist bereits, ob es für die Prüfung durch das Bundeskartellamt eines Antrages dort bedarf und wenn ja, wer diesen stellen muss. Möglicherweise wird das Bundeskartellamt aber auch von Amts wegen tätig. Dann stellt sich angesichts der erwartbaren Menge von Preisänderungen, die bereits früher mit steigenden Beschaffungskosten begründet wurden, die Kapazitätsfrage beim Kartellamt. Wie verhält es sich zudem mit der Zeit zwischen Preiserhöhungszeitraum und Prüfungsende? Ist in dieser Zeitspanne, die durchaus nach Wochen bemessen werden dürfte, die Preisänderung nicht wirksam? Oder ist sie wirksam und müssen dann im Fall eines negativen Urteils des Kartellamtes gezahlte Abschläge durch den Versorger zurückgezahlt werden? Offen ist zudem, wie Versorger ihrer Darlegungs- und Beweislast zur Angemessenheit ihres Preiserhöhungsverlangens nachkommen müssen.
Leonora Holling | Rechtsanwältin mit Kanzlei in Düsseldorf, erste Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher
Unabhängige Prüfung wichtig
Verbraucherinnen und Verbraucher, die bereits seit Jahren gegen steigende Preise protestiert haben, kennen die Versuche der Versorgungswirtschaft Preiserhöhungen „plausibel“ erscheinen zu lassen. Gerade zu Anfang des Preisprotestes wurden private Wirtschaftsprüfergutachten vorgelegt, die dem Versorger jeweils bescheinigten, selbstverständlich nur erhöhte Beschaffungskosten weitergegeben zu haben. Bei genauerer Prüfung ergab sich dann, dass jene Wirtschaftsprüfer ihre Testate auf solche Unterlagen gestützt hatten, die ihnen der jeweilige Versorger überlassen hatte. Eine unabhängige Prüfung sieht völlig anders aus. So urteilten auch die Gerichte und erkannten diese Wirtschaftsprüfergutachten für die Prüfung der Angemessenheit von Preiserhöhungen nicht an.
§ 315 BGB bleibt unberührt
Fraglich erscheint, ob die Bestimmungen zur Strom- und Gaspreisbremse die eigenen Rechte von Verbraucherinnen und Verbraucher zum eigenen Preisprotest modifizieren oder sogar aufheben können. Der § 315 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestimmt ausdrücklich: Wenn ein Preis von einer Partei eines Vertrages vorgeben wird, die andere Vertragspartei den Nachweis der Angemessenheit des Preises verlangen kann. Seit über 15 Jahren ist diese Bestimmung des BGB der absolute Kerngedanke des Preisprotestes. Erbringt der Versorger den Nachweis nicht, was bisher außergerichtlich nie der Fall war, so kann die Zahlung des erhöhten Entgeltes nach Widerspruch hiergegen verweigert werden. Geschuldet ist dann lediglich der Preis, der bisher unwidersprochen gezahlt wurde.
Dieses Recht des einzelnen Verbrauchers kann nach meiner Überzeugung nicht durch das Prüfungsrecht des Bundeskartellamtes ausgehebelt werden. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich natürlich die Feststellungen des Bundeskartellamtes zu einer Preiserhöhung zu eigen machen. Bindend dürften diese Feststellungen jedoch nicht sein. Die verbindliche Feststellung des billigen Preises trifft nämlich nach § 315 Abs. 3 BGB letztinstanzlich ein ordentliches Gericht.
Verbraucherinnen und Verbraucher sind daher gut beraten, selbst bei Preise öhungen in der Grundversorgung durch Widerspruch unbedingt aktiv zu werden und zu prüfen, ob sie die Preiserhöhung tatsächlich zahlen werden/wollen. Hilfe bei der Bewertung gewährt dabei – der Bund der Energieverbraucher.
Segment-ID: 18736In den Jahren 2004 bis 2013 ließen sich viele Strom- und Gaskunden die dramatischen Preiserhöhungen nicht mehr gefallen und widersprachen ihnen. Sie forderten einen Nachweis der Gründe für den Preisanstieg, den die Versorger nicht liefern wollten. Viele sparten damals Geld durch Kürzung der Entgelte. Jetzt ist es wieder so weit. weiter lesen
Amtsgericht verweist Entscheidung an den Europäischen Gerichtshof. weiter lesen
Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V. vom 21. Dezember 2017 weiter lesen
Viele Gerichtsverfahren zum Preisprotest werden derzeit mit Hinweis auf die Linie des Bundesgerichtshofes negativ entschieden. Jedoch steht genau diese BGH-Rechtsprechung jetzt wieder einmal beim Europäischen Gerichtshof auf dem Prüfstand. weiter lesen
Eine allgemeine Information über Preisänderungen erfüllt die Anforderung nicht, die die EU-Gasrichtlinie an Preiserhöhungen stellt. weiter lesen