Rechtliche Fragen

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Wechselkunden? Nein danke!

Der Bund der Energieverbraucher verfolgt seit Jahren Beschwerden von Verbrauchern, die beim Anbieterwechsel scheinbar grundlos abgelehnt werden. Bereits früh kam der Verdacht auf, dass Energieversorger schwarze Listen mit wechselfreudigen Kunden führen, um „Vielwechsler“ als Neukunden abzulehnen. Die Schufa plant daraus ein Geschäftsmodell zu machen.
Von Leonora Holling

(30. Oktober 2020) Auch auf wiederholte Nachfragen unseres Vereins wurde das Bestehen von solchen Listen über wechselfreudige Verbraucher von allen befragten Energieversorgern und auch von deren Dachverband, dem Bund der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), über Jahre hinweg strikt verneint. Ab 2018 haben neben unserem Verein mehrere Tageszeitungen von auffälligen Vertragsabsagen durch Versorger gegenüber potenziellen Neukunden berichtet, die zuvor häufig wechselten.

2165 Taschenrechner-Display SCHUFA / Foto: Marco2811 / stock.adobe.com

Vorgeschobene „Probleme“

Die Stiftung Warentest griff in ihrer Augustausgabe 2019 den Fall eines Verbrauchers auf, der über das Wechselportal Verivox bei dem Energiediscounter Immergrün einen günstigen Tarif abschließen wollte. Die Ablehnung von Immergrün kam vier Tage, nachdem Verivox den Wechsel eingeleitet hatte. Als der Verbraucher, der über einen tadellosen finanziellen Background verfügte, nachhakte, kam Erstaunliches zu Tage. Immergrün behauptete, dass Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Netzbetreiber sowie mit dem bisherigen Versorger Grund der Ablehnung gewesen seien. Welche Unstimmigkeiten dies gewesen sind und warum diese nicht behoben werden konnten, begründete Immergrün nicht. Verivox wiederum teilte lapidar mit, dass Energieversorger Kundenaufträge nicht annehmen müssten. In Deutschland bestehe schließlich Vertragsfreiheit. Auch wir als Bund der Energieverbraucher mussten im Rahmen unseres eigenen Wechselservices ab Ende 2019 zunehmend mehr unerklärliche Vertragsablehnungen beobachten (siehe „Schwarze Liste der Versorger“). 

Neue Erkenntnisse

Bisher wurde angenommen, die Ablehnung von Vertragsabschlüssen würde mit einer Liste von Verbrauchern in Zusammenhang stehen, die systematisch überhöhte Rechnungen kürzen. Rechercheergebnisse des NDR und der Süddeutschen Zeitung offenbaren jetzt eine ganz andere Dimension. Demnach sollen inzwischen Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa und Crif Bürgel planen, einen Informationspool über wechselfreudige Verbraucher als neues Geschäftsmodell aufzubauen. Energieversorger würden damit in die Lage versetzt, bereits vor Abschluss eines Belieferungsvertrages zu erfahren, ob ihr potenzieller Neukunde nach dem ersten Belieferungszeitraum tendenziell erneut wechseln wird.

Kritische Informationen

Diese Information ist deshalb relevant, da viele Versorger im ersten Belieferungszeitraum Neukunden mit hohen Boni locken. Durch die teuer erkauften Neukunden werden aber im ersten Vertragszeitraum keine satten Gewinne erwirtschaftet. Das Geschäft mit dem Neukunden rentiert sich erst, wenn in einem Folgebelieferungszeitraum die Boni ausgelaufen sind und gegebenenfalls auch die Preise angezogen werden. Das Geschäft macht der Versorger also erst, wenn der Verbraucher über die Mindestvertragslaufzeit hinaus Kunde bleibt. Dies erklärt das geringe Interesse der Versorger an wechselfreudigen Kunden, die direkt nach dem ersten Belieferungszeitraum das nächste Schnäppchen bei der Konkurrenz anpeilen.

Ablehnung inzwischen üblich

Der Wechseldienst „Wechselpilot“ schätzt, dass inzwischen jeder fünfte Verbraucher, der regelmäßig wechselt, aus diesem Grund durch Versorger abgelehnt wird. Die Strategie von Verbrauchern, die sich gegen überhöhte Energiepreise durch regelmäßige Wechsel zur Wehr setzen, wird also nun mit einer Gegenstrategie bekämpft. Dabei bleibt jedoch der Datenschutz auf der Strecke, da Verbraucher diese Art der Weitergabe ihrer Daten nicht wünschen und nicht dulden müssen. Wie die Süddeutsche Zeitung mitteilt, wollen sich Anfang November 2020 die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern mit den Planungen der Auskunfteien zu den neuen Informationspools und ihrer rechtlichen Zulässigkeit beschäftigen. Der Bund der Energieverbraucher fordert insoweit, dass ein klares Verbot der Weitergabe von Wechseldaten ausgesprochen wird, da diese eben genau nicht zur Frage der Kreditwürdigkeit gehören.

Rat für Wechselkunden

Verbrauchern ist einstweilen zu raten, mit einer Kündigung des Belieferungsvertrages dem bisherigen Versorger eine Weitergabe der gespeicherten Daten im Zuge eines Widerspruchs ausdrücklich zu untersagen und auch zugleich die Sperrung sowie anschließende Löschung aller Daten nach Ende des Vertrages zu verlangen. Wird sodann aus nicht erklärlichen Gründen durch den designierten neuen Versorger der Vertragsabschluss verweigert, kann man sich an den örtlich zuständigen Datenschutzbeauftragten wenden und den Verdacht einer unerlaubten Weitergabe personenbezogener Daten vorbringen. Würden viele Verbraucher diesen Rat beherzigen, wäre das Geschäftsmodell von Schufa und Co. wohl bald ausgehebelt.

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