Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2005
Az: KZR 36/04
Dieses Urteil aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung nicht mehr aktuell!
Überprüfung von Preisen für die Durchleitung elektrischer Energie durch fremde Stromnetze
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Pressemitteilung des BGH Nr. 144/2005
Weitere Informationen:
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Zusammenfassung
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshof entscheidet, dass Netznutzungsentgelte der Billigkeitskontrolle unterliegen.
Sachverhalt
Klägerin ist die Firma "Lichtblick", ein Stromanbieter. Sie leitet gegen Entgelt den von ihr verkauften Strom durch das Netz des Mannheimer Versorgers MVV. Den Preis für die Netznutzung berechnet die Beklagte auf der Grundlage der Verbändevereinbarung vom 13.12.2001, einer Vereinbarung der Dachverbände der Stromwirtschaft mit den großen Stromverbrauchern. Die Klägerin begehrt die gerichtliche Feststellung, dass die erhobenen Preise für die Netznutzung unbillig sind.
Entscheidung
Das Recht des Netzbetreibers zur Festsetzung von Netznutzungsentgelten ist ein Leistungsbestimmungsrecht und unterliegt der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Daran ändert die Preisgenehmigung durch die zuständige Landesbehörde nach § 12 Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) nichts, weil diese nur öffentlich-rechtliche Wirkung entfaltet und für eine privatrechtliche Prüfung nicht präjudiziell ist. Nicht die Klägerin muss die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung darlegen, sondern die Beklagte muss die Billigkeit ihrer Preise nachweisen. Das gilt auch im Rückforderungsprozess, jedenfalls dann, wenn Abschlagszahlungen unter Vorbehalt oder in Erwartung einer Schlussrechnung erfolgten.
Stellungnahme
Für den Bereich der Netznutzungsentgelte hat der Bundesgerichtshof nunmehr entschieden, dass diese der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterliegen. Es hob damit anders lautende Entscheidungen der Vorinstanzen (OLG Karlsruhe, Urteil v. 27.10.2004 - Az: 6 U 22/04; LG Mannheim, Urteil v. 30.12.2003 - Az: 22064/02) auf. Der Anwendbarkeit des § 315 BGB steht nicht entgegen, dass die Strompreise durch die zuständige Landesbehörde genehmigt sind. Für die Angemessenheitsprüfung ist die Einhaltung der Verbändevereinbarung nur für Entgelte bis zum 31.12.2003 beachtlich, weil § 6 Abs. Satz 5 Energiewirtschaftgesetz a. F. nur bis zum 31.12.2003 vermutet, dass bei Einhaltung der Verbändevereinbarung die Bedingungen guter fachlicher Praxis erfüllt sind. Für die Zeit danach kommt es dem Netzbetreiber deshalb auch dann nicht mehr zugute, wenn er dem verlangten Preis, die Preisfindungsprinzipien, der Verbändevereinbarung zugrunde gelegt hat. Mit dem Urteil weist der Bundesgerichtshof dem Verbraucher den Weg, sich gegen Preiserhöhungen für Strom und Gas zivilrechtlich zu wehren und zwar unabhängig von einer kartellrechtlichen Überprüfung.
RA Bräutigam
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