Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juli 2005
1 BvR 80/95 - BVerfG, 1 BvR 80/95 vom 26.7.2005, Absatz-Nr. (1 - 100)
Dieses Urteil aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung nicht mehr aktuell!
"Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die Privatautonomie als Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben. Die eigenbestimmte Gestaltung von Rechtsverhältnissen ist ein Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl.BVerfGE 8, 274 <328>; 72, 155 <170> ; stRspr), die ihre Grenzen allerdings in der Entfaltungsfreiheit anderer findet. Die Privatautonomie bedarf deshalb der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung, insbesondere im Vertragsrecht.
Privatautonomie setzt voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben sind (vgl. BVerfGE 81, 242 <254 f="">). Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen ist der Vertrag, mit dem die Vertragspartner im Rahmen des Rechts selbst bestimmen, wie ihre individuellen Interessen beim Vertragsschluss, während der Laufzeit des Vertrags und bei Vertragsende zueinander in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Freiheitsausübung und wechselseitige Bindung finden so ihre Konkretisierung. Der zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat (vgl.BVerfGE 103, 89 <100>).
Ausnahmen hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, wenn auf Grund erheblich ungleicher Verhandlungspositionen der Vertragspartner einer von ihnen ein solches Gewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann. Dann ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der beteiligten Parteien hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen oder mehrere Vertragsteile die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt (vgl.BVerfGE 89, 214 <232>; 103, 89 <101> ). Gleiches gilt, wenn die Schwäche eines Vertragspartners durch gesetzliche Regelungen bedingt ist. Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatautonomie durch Art. 2 Abs. 1 GG kann dann zu einer Pflicht des Gesetzgebers führen, für eine rechtliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses der davon betroffenen Vertragsparteien zu sorgen, die ihren Belangen hinreichend Rechnung trägt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96, C I 1 a)."
Segment-ID: 4555