Beschluss des Landgerichts München I vom 9. Juni 2006

Az: 30 T 9871/06

Dieser Beschluss aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung nicht mehr aktuell!

Landgericht München I erklärt, im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH, Versorgungssperre für zulässig.

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Versorgungssperre bei Protestkunden unzulässig, auch in München

(3. Juli 2006) Der Bund der Energieverbraucher hat die eigenmächtigen Gaspreiserhöhungen der Stadtwerke München kritisiert. "Die verlangten Gaspreise sind solange unverbindlich, bis deren Billigkeit durch ein rechtskräftiges Urteil feststeht. Dies gilt zumindest für die Protestkunden, die gegen die fehlende Billigkeit schriftlich protestiert haben" sagte der Vereinsvorsitzende Dr. Aribert Peters.

Der Beschluss des Landgerichts München I vom 9.6.2006 Az 30 T 9871/06, der eine Versorgungssperre für zulässig erklärt hatte, stehe in klarem Widerspruch zur langjährig gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: "Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH kann das Versorgungsunternehmen jedoch nicht erzwingen, dass der Kunde zunächst einmal zahlt", fasst die Richterin am BGH Barbara Ambrosius die Meinung des BGH dazu zusammen (in: "Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Billigkeitskontrolle", erweiterte Fassung eines auf dem Dt. Mietrechtstag 2006 gehaltenen Vortrags, S. 16).

So schreibt der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 30. April 2003 (Az: VIII ZR 279/02): "Den Belangen des Kunden, der die Preisbestimmung für unbillig hält und ein schutzwürdiges Interesse daran hat, lediglich den tatsächlich geschuldeten Preis zahlen zu müssen, kann nur dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, daß es ihm gestattet wird, sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Versorgungsunternehmens entsprechend dem in § 315 Abs. 3 BGB enthaltenen Schutzgedanken auf die Unangemessenheit und damit Unverbindlichkeit der Preisbestimmung zu berufen und diesen Einwand im Rahmen der Leistungsklage zur Entscheidung des Gerichts zu stellen".

Auch die Bayerische Landeskartellbehörde hält die Androhung einer Versorgungssperre nach dem Unbilligkeitseinwand für unzulässig. Das Amtsgericht München hatte in einem anderen Fall am 12.1.2006 (Az 131 C 797/06) entschieden, dass die Versorgungssperre oder auch die Androhung einer Versorgungssperre unzulässig sei, solange die Stadtwerke den Beweis für die Billigkeit nicht erbracht haben.

Die Stadtwerke München interpretieren fälschlicherweise den Beschluss des Landgerichts München als ein Urteil über die Billigkeit der Gaspreises. Dazu stellt der Vereinsvorsitzende Dr. Aribert Peters fest: "Bei dem Urteil ging es nicht um die Billigkeit der Gaspreise, sondern um die Zulässigkeit einer Versorgungssperre. Über die Billigkeit der Gaspreise kann nur in einem ordentlichen Gerichtsverfahren entschieden werden und nicht in einem einstweiligen Verfügungsverfahren". Über die Billigkeit der Gaspreisgestaltung sage das Urteil des Landgerichts München nichts aus, weil die Billigkeit nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei, führte Peters weiter aus.

Den Gaskunden in München rät Peters, die Gaspreiserhöhung seit September 2004 nicht zu zahlen, bis die Stadtwerke München in einem ordentlichen Gerichtsverfahren die Billigkeit der Preiserhöhung bewiesen hätten. Das im Auftrag der Stadtwerke erstellte Gutachten sage über die Billigkeit nichts aus. Denn sie erlauben weder den Kunden, noch den Gerichten eine Beurteilung der Billigkeit. Die Kosten für die Belieferung, die Höhe der Gewinne und der Rücklagen werden nicht offengelegt und sind auch weder nachprüfbar noch nachvollziehbar. Die Billigkeitsprüfung beziehe sich auch stets auf den gesamten Gaspreis, nicht nur auf eine Preiserhöhung.

Die SWM hätten in keinem einzigen bekannten Fall eine Klage auf Zahlung des vollen Gaspreises gegen einen Kunden erhoben. Offenbar seien die SWM selbst nicht von ihren Preisen überzeugt. Zahlreiche Klagen von Verbrauchern hätten in jüngster Zeit ergeben, dass die Versorger zu einer Preiserhöhung gar nicht berechtigt seien, so die noch nicht rechtskräftigen Urteile der Landgerichte Bremen, Berlin und Dresden. Der Bund der Energieverbraucher erwägt derzeit eine entsprechende Klage gegen die SWM.

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