Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.06.07
Az.: VIII ZR 36/06
Sachverhalt
Ein Verbraucher klagt auf Feststellung der Unbilligkeit einer Preiserhöhung im Allgemeinen Tarif. Das Versorgungsunternehmen begründet die Preiserhöhung mit gestiegenen Bezugskosten. Das Amtsgericht Heilbronn hat der Klage statt gegeben, das Landgericht hat sie in der Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich der Kläger in der Revision.
Urteil
Der BGH hat in dem entschiedenen Fall das Recht des Energieverbrauchers, sich mit dem Unbilligkeitseinwand gegen Preiserhöhungen zum Allgemeinen Tarif zu wehren, bestätigt. Aus der AVBGasV ergebe sich ein Leistungsbestimmungsrecht zu Gunsten des Versorgers, weshalb § 315 BGB direkt anwendbar sei. Auf die Wettbewerbssituation oder eine Anbieterwechselmöglichkeit kam es in der Situation nicht an. Der Unbilligkeitseinwand sei auch nicht gegenüber dem Kartellrecht nachrangig, sondern stehe neben den kartellrechtlichen Ansprüchen des Verbrauchers. Der BGH kontrollierte nur die Billigkeit der angegriffenen Preiserhöhung. Zum Beweis der Billigkeit der umstrittenen Preiserhöhung reichte es nach Ansicht des BGH aus, dass das Unternehmen diese mit gestiegenen Bezugskosten nachgewiesen habe, weil dieser Grund für die Preiserhöhung im konkret zu entscheidenden Fall nach Auffassung des Gerichts zwischen den Parteien unstreitig war. Allerdings stellt der BGH heraus, eine Preiserhöhung sei auch bei steigenden Bezugskosten unbillig, wenn die Steigerung durch sinkende Kosten in anderen Bereichen kompensiert werde.
In dem Verfahren hatte das Unternehmen mit einem Gutachten belegt, dass andere Kostenfaktoren nicht gestiegen waren. Der klagende Verbraucher hatte die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens nicht bestritten. Der BGH lehnte es ab, sich mit den vor der umstrittenen Preiserhöhung liegenden Preisfestsetzungen zu beschäftigen. Diese seien mangels Beanstandung der Energieabrechnungen durch den Verbraucher zwischen den Parteien vereinbart, so dass sie der Billigkeitskontrolle nicht unterlägen. Nach Ansicht des BGH komme auch eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB auf ältere Preisfestsetzungen nicht in Betracht, da der Verbraucher auf die Belieferung durch seinen Gasversorger nicht angewiesen sei, weil er mit Strom, Fernwärme, etc. heizen könne. Der BGH bestätigte daher das Urteil des Landgerichts, die Klage sei zulässig, aber unbegründet.
Stellungnahme
Positiv ist die Entscheidung zur Anwendbarkeit des § 315 BGB. Für Versorgungsverhältnisse zum Allgemeinen Tarif (heute: Grundversorgung) stellt das Urteil in auf die Stromversorgung übertragbarer Weise klar, dass Preiserhöhungen der direkten Anwendung des § 315 BGB unterfallen, es also nicht auf die Wettbewerbssituation ankommt. Die Beschränkung der Billigkeitskontrolle auf den Vergleich von Bezugskostensteigerungen mit Preiserhöhungen ist auf die Besonderheiten des Falles zurückzuführen (Klage gegen eine Preiserhöhung, Nichtbestreiten wesentlicher Tatsachen).
Unabhängig davon ist aber fraglich, ob eine isolierte Prüfung des Erhöhungsbetrags betriebs- und energiewirtschaftlich und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 315 BGB Sinn macht. Fragwürdig ist die Argumentation des Gerichts zur Wirkung der unwidersprochenen Bezahlung einer Jahresabrechnung. Darin lässt sich rechtlich nicht die Einigung auf einen neuen Preis sehen. Die erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen liegen nicht vor. Die Anforderungen an einen privaten Verbraucher wären überzogen, wollte man ihm unterstellen, er habe die Berechtigung der abgerechneten Preise abschließend geprüft, bevor er sie bezahlt.
Die Ablehnung der entsprechenden Anwendung mit dem Hinweis auf die mittelbare Wirkung des sogenannten "Substitutionswettbewerb" ist ebenfalls kritisch. Sie verkennt, dass es keinen einheitlichen Wärmemarkt gibt. Verbraucher können nicht ohne Schwierigkeiten zwischen unterschiedlichen Wärmeversorgungssystemen wählen, Erdgasbestandskunden ohnehin nicht, aber auch Neukunden in vielen Fällen nicht. Unter Berücksichtigung der energiewirtschaftlichen Bedingungen stehen Erdgaspreise nicht unter Wettbewerbsdruck im volkswirtschaftlichen Sinne.
schließen