Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25. Februar 2010
Az. U 272/09 Kart
Kommentar von Prof. Dr. Kurt Markert:
1. Das OLG lässt völlig im Dunkeln, ob es sich in dem entschiedenen Fall um einen Vertrag der Tarifkunden- bzw. Grundversorgung oder aber um einen Sonderkundenvertrag handelt und verschanzt sich ohne eigene Begründung allein hinter die Ansicht des Landgerichts, dass dem Versorger unabhängig davon ein Recht zur einseitigen Bestimmung des Gaspreises zustehe.
Die Vorabklärung, um welche Art von Vertrag es sich handelt, ist aber für die weitere rechtliche Beurteilung des Falles entscheidend. Denn wenn es sich nach den Kriterien der BGH-Entscheidung vom 15.7.2009 im Fall GASAG um einen Sonderkundenvertrag handeln würde, worauf allein schon die Höhe der streitigen Zahlungsbeträge hindeutet, stünde dem Versorger ein solches Recht nur zu, wenn es wirksam zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden wäre, was als AGB nur unter Einhaltung der Anforderungen der §§ 305 BGB der Fall wäre.
Dazu findet sich aber in der Begründung des OLG kein Wort, auch nicht zu einer etwaigen unveränderten, also nicht zum Nachteil des Kunden abweichenden Übernahme des gesetzlichen Preisänderungsrechts des Tarifkunden- bzw. Grundversorgers in den streitgegenständlichen Liefervertrag (zu den Anforderungen hierfür zuletzt BGH v. 27.1.2010 im Fall EMB Mark Brandenburg).
Wäre dieser Vertrag nach dem Maßstab des GASAG-Urteils des BGH als Sonderkundenvertrag zu bewerten und würde ein wirksames Preisanpassungsrecht des Versorgers fehlen, wären die streitigen Preiserhöhungen schon aus diesem Grunde unwirksam. Auf die Frage, ob diese billigem Ermessen i. S. von § 315 BGB entsprechen, käme es dann von vornherein nicht mehr an und die vom OLG für erforderlich gehaltene a sehr kostenaufwendige Beweisaufnahme durch das Landgericht wäre gänzlich überflüssig.
2. Sehr bemerkenswert für ein OLG ist auch seine Aussage auf S. 6 der Urteilsgründe, dass es sich "unter Zurückstellung gewisser dogmatischer Bedenken" der für die Tarifkundenversorgung geltenden Rechtsprechung des VIII. BGH-Zivilsenats anschließe, wonach der Nichtwiderspruch gegen eine einseitige Tariferhöhung als Vereinbarung über die Erhöhung zu bewerten sei.
Welcher Art diese "gewissen dogmatischen Bedenken" sind und weshalb diese Rechtsprechung auch für auf unwirksame Preisanpassungsklauseln gestützte einseitigen Erhöhungen der Preise für Sondervertragskunden gelten soll, auch dazu kein Wort, auch keine Erwähnung des im letzteren Punkt entgegenstehenden Urteils des OLG Hamm vom 29.5.2009. Dennoch aber Verweigerung der Zulassung der Revision!
3. Es kann sein, dass alle diese vom OLG übergangenen Fragen von der Verbrauchseite im Prozess nicht oder jedenfalls nicht deutlich genug geltend gemacht wurden, Zu dieser Geltendmachung gehört auch eine vollständige Einführung der anscheinend sogar auch noch manchen Oberlandesgerichten nicht bekannten einschlägigen Rechtsprechung und Fachliteratur. Aber wenn dies auch schon der Prozessvertretung der Verbraucherseite nicht bekannt ist, kann man den so vertretenen Verbraucher nur bedauern.
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