Vierter Benchmarking-Bericht der EU-Kommission veröffentlicht
Überhöhung deutscher Strom- und Gaspreise beziffert
Verbraucher sollten Preise selbst senken.
(5. Januar 2005) - Die EU-Kommission hat dem Europaparlament und dem Rat heute ihren vierten Bericht zum Strom- und Gasmarkt übermittelt. Die deutsche Kurzfassung und der englische Materialband sind veröffentlicht unter:
http://ec.europa.eu/energy/gas_electricity/legislation/benchmarking_reports_en.htm
Richtlinien nicht umgesetzt und nicht ausreichend
Die Umsetzung der neuen Binnenmarkt-Richtlinien wird vom Bericht als enttäuschend bezeichnet. Dieser Zustand wird als unbefriedigend bezeichnet, zumal jetzt klar sei, dass diese Richtlinien nicht ausreichend waren, um das Ziel des Wettbewerbs zu erreichen: "Ein unabhängiger Betreiber des Übertragungsnetzes ist wesentlich für einen funktionierenden Strommarkt. Quersubventionierungen müssen entfernt werden…Die Unabhängigkeit der Regulierer ist von entscheidender Bedeutung, um einen fairen Netzzugang zu gewährleisten."
Netznutzungsentgelte in Deutschland rund zwei Cent je kWh überhöht
Die Netznutzungsentgelte für Strom liegen nach der Analyse der EU-Kommission in Deutschland höher als in allen anderen EU-Staaten. Die Netznutzungsentgelte für Haushalte liegen um 53 Prozent oder rund zwei Cent je Kilowattstunde über dem Durchschnitt aller EU-Länder.

Strom- und Gaspreise in Deutschland zu hoch
Der Bericht vergleicht auch die Strom- und Gaspreise innerhalb der EU und deren Entwicklung. Die deutschen Strom- und Gaspreise für Haushalte und auch für Gewerbe und Industrie sind höher als in den meisten anderen EU-Ländern. Deutschland ist das einzige EU-Land mit sowohl hohen Strom- als auch Gaspreisen. Die Strompreise für kleinere Gewerbebetriebe sind in Deutschland höher als in allen anderen EU-Staaten.

Verbraucher sollen selbst regulieren
Der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher Dr. Aribert Peters kommentiert den Bericht:
"Der EU-Bericht bestätigt, dass die deutschen Verbraucher weit über Gebühr zur Kasse gebeten werden. Und er beziffert, in welcher Größenordnung die Preise in Deutschland überhöht sind.
Deutlich wird auch, dass die jüngsten Strom- und Gaspreiserhöhungen eine deutsche Spezialität sind.
Nicht die Kosten sondern die Gewinne der Versorger sind in Deutschland zu hoch. Das ist Folge der bis heute fehlenden Preisregulierung in Deutschland. Die Beziehungen zwischen Versorgungswirtschaft und Politik sind nirgendwo so eng wie in Deutschland, quer durch alle Parteien und politischen Ebenen. Das Nachsehen haben Wirtschaft und Verbraucher.
Nirgendwo sonst zahlt die Wirtschaft so hohe Energiepreise. Und nirgendwo sonst wird die private Kaufkraft durch überhöhte Energiepreise so stark gebremst. Ich sehe da einen direkten Zusammenhang mit der Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft im europäischen Vergleich. Denn Monat für Monat zahlen Wirtschaft und Verbraucher in Deutschland für Strom und Gas etwa eine Millarde Euro zuviel. Das sind überhöhte Kosten und verlorene Kaufkraft gleichermassen. Die Politik will daran bis zum Jahr 2008 nichts ändern.
Genau darauf zielt die Kritik des Benchmarking-Berichts.
Statt bis zum Jahr 2008 auf das Greifen der Regulierung zu warten, sollten Verbraucher und Gewerbebetriebe ihre Energiekosten sofort selbst auf ein angemessenes Niveau senken. Das Zivilrecht gibt dazu oft eine bessere Grundlage als das überaus komplizierte und in Überarbeitung begriffene Energierecht."

Rechte der Haushaltskunden
Die EU-Richtlinien verpflichten alle Mitgliedsstaaten zu besonderen Maßnahmen zum Verbraucherschutz. Der Bericht vergleicht das erreichte Verbraucherschutzniveau. Besondere Tarife für sozial schwache Verbraucher gibt es in Belgien, Frankreich, Irland, Malta, Polen, Portugal und Finnland. In Deutschland gibt es solche Tarife nicht. Wichtig ist auch die Wahlfreiheit und die Information der Verbraucher sowie die Beschwerdebearbeitung durch Versorgungsunternehmen. In vielen EU-Ländern gibt es Vorgaben für die Höchstzeit, innerhalb derer Versorgungsunternehmen auf Verbraucherbeschwerden zu antworten haben. In Irland sind 10 Tage vorgeschrieben, in Italien 20 Tage, in Letland 30 Tage, in Ungarn 30 Tage, in den Niederlanden 4 Monate, in Österreich 7 Wochen, in Polen 30 Tage, in Portugal 20 Tage, in Großbritannien 17 Wochen. In Deutschland gibt es keinerlei verbindliche Regelungen dazu.
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