Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.04.2011 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Gemäß § 540 I ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.
4Entgegen dem Urteil des Landgerichts hält die Beklagte ihre streitgegenständliche AGB-Klausel für Gaslieferungsverträge mit Sonderkunden für wirksam. Diese lautet:
5"Änderungen der Preise und der Allgemeinen Vertragsbedingungen Gas werden erst nach individueller Bekanntgabe wirksam.
6Im Falle einer Änderung der Preise oder Allgemeinen Vertragsbedingungen Gas ist der Kunde berechtigt, den Vertrag bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende zu kündigen."
7Nach Auffassung der Beklagten beinhalten diese Klauseln keine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher. Mitteilungen über Preisänderungen erfolgten im vorliegenden Online-Kundengeschäft stets per e-mail, was ein Höchstmaß an Sicherheit und individueller Information biete. Damit sei auch die Bestimmtheit gewahrt.
8Nichts anderes folge daraus, dass keine sechswöchige Ankündigung von Preisänderungen vorgesehen gewesen sei. Entscheidend sei, dass das Kündigungsrecht des Kunden nicht erst nach der Preiserhöhung greife und damit unzumutbare Folgekosten mit sich bringe. Da die Kündigung mit einer Frist von vier Wochen erfolgen müsse, habe die Ankündigung zumindest sechs Wochen vor Wirksamkeit der Änderung geschehen müssen.
9Im Übrigen werde eine etwaige Benachteiligung durch das den Kunden eingeräumte Kündigungsrecht angemessen kompensiert.
10Sollte es hier anders gesehen werden, müsse das Verfahren bis zur Entscheidung des EUGH im Vorlageverfahren des BGH VIII ZR 162/09 ausgesetzt werden.
11Die Beklagte beantragt,
12das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen,
13hilfsweise,
14das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen des BGH VIII ZR 162/09 auszusetzen,
15äußerst hilfsweise,
16die Revision zuzulassen.
17Die Klägerin beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.
21II.
22Der Senat ist zur Entscheidung in der Sache berufen. Eine Zurückverweisung an das Landgericht kommt nicht in Betracht. Die Voraussetzungen von § 538 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt.
23Zwar wurde die Entscheidung des Landgerichts Dortmund durch den gem. den §§ 6 UKlaG, 348 Abs.1 Ziff. k) ZPO nicht entscheidungsbefugten Einzelrichter getroffen. Der Beschluss vom 03.02.201, mit dem der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen worden ist, ist nämlich entgegen § 348a Abs. 1 ZPO nur von einem Richter unterschrieben. Es liegt mithin ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters und damit ein grober Verfahrensfehler gem. § 538 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO vor. Auch wurde die grds. erforderliche Rüge dieses Verstoßes nach dem entsprechenden Hinweis im Senatstermin von der Beklagten erhoben. Eine Zurückverweisung kommt aber deshalb nicht in Betracht, weil keine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme erforderlich ist, § 538 Abs. 2 Nr. 1 2. HS ZPO, sondern lediglich Rechtsfragen betroffen sind, und auch die weiteren Gründe des § 538 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
24III.
25Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet.
26Das Landgericht hat der Klägerin zu Recht den Unterlassungsanspruch nach den §§ 1, 3 I Nr. 1, 4 UKlaG zuerkannt. Die streitgegenständliche Klausel zu § 3 II, III der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für Gaslieferungsverträge mit Sonderkunden sind wegen Verstoßes gegen § 307 I S.1, 2 BGB unwirksam.
271. Die Wirksamkeit ergibt sich nicht aufgrund inhaltsgleicher Übernahme der Regelung des § 5 II der GVV Strom bzw. Gas.
28Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Leitbildfunktion der GVV ist zwar das Preisänderungsrecht des Versorgungsunternehmens nach § 5 II der GVV Strom oder Gas intransparent und unbestimmt. Es ist jedoch als gesetzgeberische Regelung im Hinblick auf die Bestimmung des § 310 II BGB in der Weise hinzunehmen, dass dann keine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers im Sinne von § 307 I 1, 2 BGB vorliegt, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Sonderkunden diese Vorgaben der GVV unverändert übernehmen, wofür es keiner wortgleichen, aber einer inhaltsgleichen Entsprechung bedarf.
29Daran fehlt es hier schon deshalb, weil § 3 II der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lediglich eine ‚individuelle Bekanntgabe‘ der Preisänderung und damit keine bestimmte Form der Mitteilung vorsieht. Bei gebotener kundenfeindlichster Auslegung (BGH NJW-RR 2010, 1205) könnte hiernach eine Preiserhöhung schon nach einer mündlichen oder telefonischen Mitteilung wirksam werden. Dem Erfordernis des § 5 II S. 2 der GVV, wonach auch die briefliche Mitteilung und die Veröffentlichung im Internet Wirksamkeitsvoraussetzung sind, ist nicht Genüge getan. Die Übernahme dieser Pflichten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist indessen ebenfalls Voraussetzung für eine unveränderte Übernahme im oben genannten Sinne (BGH NJW 2011, 50 (53 f.); 2011, 1342 <Rz. 29>).
30Für die Wirksamkeitsprüfung im vorliegenden Verbandsprozess kommt es demgegenüber nicht darauf an, wie die Bekanntmachung tatsächlich gehandhabt wird (BGH NJW 2003, 1237) - nach Darstellung der Beklagten stets per e-mail. Dahinstehen kann ferner, ob bereits der Verzicht auf die öffentliche Bekanntgabe (§ 5 II S. 1 der GVV) und/oder eine ausschließlich in Form einer e-mail vorgesehene Mitteilung eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher begründen würde.
312. Einer Wirksamkeitsprüfung nach § 307 I 1, 2 BGB halten die Preisänderungsklauseln der Beklagten gem. § 3 II, III ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht stand.
32Das Preisänderungsrecht gem. § 3 II der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach Art, Anlass und Modalitäten gänzlich unbestimmt und erfüllt somit nicht die Anforderungen (vgl. BGH NJW 2011, 1192 <Rz. 20>).
33Darüber hinaus bleibt für den Durchschnittskunden unklar, in welcher Form und gegebenenfalls durch wen eine ‚individuelle Bekanntgabe‘ (s.o.) erfolgen muss, um Wirksamkeit zu entfalten. Der Verbraucher wird dadurch in unzulässiger Weise im Ungewissen darüber gelassen, ab wann ihm gegenüber eine Mitteilung von Preisänderungen verbindlich erfolgt ist; die genaue Kenntnis dieses Zeitpunkts ist für ihn namentlich wegen der darauf bezogenen Frist für eine Vertragskündigung wichtig (§ 3 III Allgemeine Geschäftsbedingungen).
34Dass die darin liegende Benachteiligung des Kunden nicht unangemessen wäre, weil sie durch andernfalls höheren Bearbeitungssaufwand sowie Kosten der Beklagten, die höhere Preise zur Folge hätten, aufgewogen werde, hat die Beklagte in keiner Weise nachvollziehbar gemacht.
353. Zudem ist § 3 II der Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon deshalb zu beanstanden, weil sie abweichend von der 6-Wochen-Frist des § 5 II 1 der GVV und bei kundenfeindlichster Auslegung die Möglichkeit einer Bekanntgabe der Preisänderung erst einen Monat und einen Tag vor dem Wirksamwerden eröffnete; dem Verbraucher verbleibt dann nicht mehr die ihm gemäß den GVV Strom bzw. Gas zugebilligte Überlegungsfrist zwischen Bekanntgabe und Wirksamwerden der Preisänderung für einen Marktvergleich, und für die Entscheidung, ob er am Vertrag festhalten oder kündigen will (BGH NJW 2011, 50 (54).
364. Daran anknüpfend ergibt sich zugleich, dass das vertragliche Kündigungsrecht nach § 3 III der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die unangemessene Benachteiligung des Kunden nicht kompensieren kann. Es weist vielmehr dieselbe Unbestimmtheit auf, weil die Kündigungsmöglichkeit auf den - unklaren - Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Preisänderung bezogen ist und ebenso wie jener Zeitpunkt für den Verbraucher der Beginn und Lauf der Überlegungs- sowie der Kündigungsfrist nicht sichergestellt sind.
37IV.
38Eine Aussetzung dieses Verfahrens nach § 148 ZPO ist namentlich nicht im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs an den EuGH (NJW 2011, 1392) veranlasst. Es fehlt an der Vorgreiflichkeit, da abweichend vom dortigen Gegenstand hier keine inhaltlich unveränderte Übernahme der GVV gegeben ist (Vorlagefrage a) und ferner aufgrund der Fassung der streitgegenständlichen Klauseln der Beklagten nicht sichergestellt ist, dass rechtzeitig dem Kunden die Preisänderung im Voraus mitgeteilt wird und er kündigen kann (Vorlagefrage b).
39V.
40Konkrete Angriffe bringt die Berufung im übrigen nicht vor.
41VI.
42Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 I, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
43Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Durch die Rechtsprechung des BGH ist namentlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen bei einem Normsonderkundenvertrag wie hier von einer wirksamen vertraglichen Vereinbarung eines Preisänderungsrechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgegangen werden kann (BGH BeckRS 2011, 25195 und 25611).