Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Februar 2006
Az: 9 S 300/05
Dieses Urteil aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung nicht mehr aktuell!
Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2005 (Az: 1 C 262/04) wird im Kostenpunkt aufgehoben und abgeändert.
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Revision: Beschluss vom BGH am 15. Januar 2008 VIII ZR 351/06
Das Landgericht hebt auf die Berufung des Versorgers die klageabweisende Entscheidung des Amtsgerichtes mit der Maßgabe auf, dass der Verbraucher an den klagenden Versorger die von diesen geltend gemachten Tarife zu zahlen hat.
Sachverhalt
Das Versorgungsunternehmen hatte gegen den Verbraucher auf Zahlung geklagt, wobei der Verbraucher diesem Begehren mit dem Einwand des § 315 BGB entgegen getreten war und sich auf die Unbilligkeit der Leistungsentgelte berufen hatte. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, weil der Versorger Leistungen aus dem Bereich der Daseinsvorsorge anbiete und der Billigkeitskontrolle des § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sei. Die Billigkeit seiner Preise habe der Versorger nicht nachgewiesen.
Die Entscheidung
Das Landgericht gelangt zu der Auffassung, dass der Verbraucher zur Zahlung der Leistungsentgelte aufgrund Rechnungslegung auch dann verpflichtet bleibt, ohne dass zuvor die Billigkeit der Preisbestimmung durch den Versorger dargelegt werden muss. Hierbei komme ein Gaslieferungsvertrag auch durch schlüssiges Verhalten (Angebot des Produktes und Abnahme desselben) zu Stande. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 EnWG treffe den Versorger grundsätzlich ein Anschlusszwang. Der Verbraucher erfülle den Vertrag durch schlichte Abnahme des Gases. Der Verbraucher kann sich auch nicht auf § 315 BGB berufen. Soweit in einem Vertrag eine Leistung bereits stillschweigend bestimmt ist, so auch bei Bestehen von Tarifen, sei der Anwendungsbereich des § 315 Abs. 3 BGB bereits nicht eröffnet. Vorliegend sei dem Versorgungsunternehmen kein vertraglich eingeräumtes Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt worden. Entsprechend liege eine Fall wie bei der Entscheidung des Kartellsenates des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04) nicht vor. Auch eine analoge Anwendung des § 315 BGB sei nicht gegeben. Die bisher zu dieser Frage in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung, wie sie das Amtsgericht heran gezogen hat, könne aufgrund des neu inkraftgetretenen § 19 GWB nicht ohne weiteres übernommen werden. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Bundesgerichtshof sich insoweit zu diesem Zeitraum nach dem 1.1.1999 geäußert habe. Aufgrund des § 19 GWB könne sich der Verbraucher über § 134 BGB auf einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung des Versorgers berufen und dies gegen die Entgelte einwenden (§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB). Der Verbraucher sei geschützt, in dem er insoweit einwenden könnte, sein Versorger verlange höhere Preise als die, welche bei einem wirksamen Wettbewerb verlangt würden. Die Preisbildungskriterien, wie sie etwa auf dem Strommarkt bestünden, seien auf den Gasmarkt nicht übertragbar, da ein Wettbewerb unter verschiedenen Gasanbietern noch nicht gegeben sei. Aus § 10 Abs. 3 Satz 2 EnWG a. F. lasse sich eine gesetzgeberische Entscheidung für eine weitergehende Preiskontrolle nicht ableiten, lediglich sei der Versorgungszwang und die Vorgabe bestimmter Vertragsbedingungen geregelt worden. Der privatrechtliche Versorger sei jedoch durch den Gesetzgeber bezüglich seiner Entgelte nicht an Vorgaben gebunden worden. Es sei auch nicht zu folgen, der Versorger müsse seine Produkte zu marktüblichen bzw. Durchschnittspreisen anbieten. Der Preis werde alleine an § 19 GWB gemessen, so dass § 315 BGB nicht zur Anwendung gelangt. Letztlich würden beide Vorschriften die gleichen Kriterien der Kontrolle umfassen.
Stellungnahme
Die Entscheidung geht verfehlt von einem identischen Billigkeitsmaßstab der Vorschriften des § 19 GWB und § 315 Abs. 3 BGB, direkt oder analog, aus. § 19 GWB hat die Prüfung einer marktbeherrschenden Stellung des Versorgungsunternehmens zum Inhalt. Die Vorschriften des Kartellrechtes haben jedoch eine andere Zielrichtung, als die privatrechtliche Billigkeitskontrolle des § 315 BGB. Dies hat der BGH in seinem Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04 - ausdrücklich festgestellt. Die Begründung des Landgerichtes, diese Entscheidung des Bundesgerichtshofes betreffe den vorliegenden Fall nicht, kann nicht überzeugen. Warum die Beurteilung zwischen Energieversorgern und Gasversorgern nicht vergleichbar sein soll, bleibt völlig unklar, zumal apodiktisch festgestellt wird, die Preisbildungskriterien seien aus der BGH-Entscheidung nicht übertragbar. Das technische Monopol liegt auch hier beim örtlichen Versorger. Auch der Gesetzgeber hat gemäß den Materialen zu § 10 Abs. 3 Satz 2 EnWG a. F. die Frage der Preiskontrolle des Verbrauchers über § 315 BGB überhaupt nicht behandelt. Zu Recht, da es sich um völlig unterschiedliche Rechtsgebiete und Regelungsmaterien handelt. Hieraus kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, der Versorger könne daher mangels staatlicher Regelung seine Preise völlig willkürlich bestimmen. Die Angemessenheit der Preise ist daher direkt über § 315 BGB für den Verbraucher überprüfbar.
Rechtsanwältin Leonora Holling
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